Das Naturhus: Nachhaltiges Wohnen im Gewächshaus
- Die Ursprünge des Naturhus
- Vorteile des Haus-im-Haus-Konzepts
- Ein Leben im Gewächshaus
In Skandinavien ist das sogenannte Naturhus bereits ein Trend. Dahinter verbirgt sich ein Holz- oder Steinhaus, das komplett von einem Gewächshaus umhüllt ist. Dieses nachhaltige Haus-im-Haus-Konzept findet auch in Deutschland erste Nachahmer. Wir stellen Ihnen das Wohnen im Gewächshaus vor, zeigen die Besonderheiten und Vorteile.
Inhaltsverzeichnis
Beim Eintreten in das Gewächshaus fällt sofort auf, dass es einige Grad wärmer wird. Das Besondere an diesem Ort ist, dass hier nicht nur Pflanzen geschützt unter einer Glashülle leben, sondern auch eine Familie ihr Zuhause hat. Riesige Glasfronten lassen jeden noch so zarten Lichtstrahl ins Innere und schaffen ein mediterranes Klima.
Die Bewohner können dank ihrer doppelten Außenhülle dem Wetter trotzen. Wenn man bei Regen normalerweise ins Haus flüchten würde, sitzt die Familie auf ihrer Terrasse und ist dennoch geschützt. Auch beispielsweise im Frühling, wenn es abends eigentlich noch zu frisch ist, um im Garten zu sitzen, können sich die Bewohner in der Geborgenheit des Gewächshauses schon im Pullover „draußen“ aufhalten.
Designer Anders Solvarm lebt selbst mit seiner Familie in einem Naturhus. Mit seiner Firma Naturhusvillan baut er nach diesem Konzept diese außergewöhnlichen, nachhaltigen Gebäude. Seine zweite Firma Greenhouse Living bietet Beratungen rund um das Thema Naturhus an. Anders Solvarm erklärt, wie die Idee zum Naturhaus entstanden ist und welchen Einfluss das auf seine Arbeit als Designer hat.
Ich begann, ein traditionelles Holzhaus zu bauen. Aber das Wetter in Schweden war oft schlecht, mit viel Regen und Wind. Also suchte ich nach einem passenden Gebäudeschutz. Dann fand ich das Buch von Bengt Warne mit dem Titel „På akacians villkoratt bygga och bo i samklang med naturen“ (auf Deutsch: Unter den Bedingungen der Akazie – im Einklang mit der Natur bauen und leben).
Das Buch beschreibt den Vorteil von Naturhäusern anhand eines Beispiels. Ein Haus, das Bengt Warne in den späten 1970er Jahren in einem Gewächshaus gebaut hatte. Ich nahm Kontakt mit Bengt Warne auf und er wurde mein Mentor. Ich kaufte ein Gewächshaus und verwandelte unser schwedisches Blockhaus in ein Haus, das sich nun in einem mediterranen Klima befindet.
Wir benutzen umweltfreundliche Baustoffe, ein intelligentes Energiesystem und unser Ecocycle-System. Letzteres bedeutet, wir bereiten das Nutzwasser wieder auf, um es als Wasser für die automatische Bewässerung der mediterranen Gartenpflanzen zu verwenden. Alles kombiniert mit nachhaltiger Architektur, die die menschlichen Sinne berührt.
Wir bevorzugen mineralische Baustoffe, wie Stein und Glas und organische Materialien wie Holz und Stroh, die auch Kohlendioxid binden.
Die Klimazone für Pflanzen und Menschen ist im Gewächshaus sehr nah am toskanischen, mediterranen Klima und das, obwohl sich das Gebäude mitten in Schweden befindet. Vielleicht ist es etwas kälter im Winter, aber es gibt im Gewächshaus natürlich keinen Wind, Schnee und Regen. Und das ist besonders für die Pflanzen im Gewächshaus wichtig. Sie sind geschützt. So wachsen auch Trauben und Feigen sehr gut. Das Kernhaus liegt mit dem Klima in der Nähe eines normalen Wohnhauses in Schweden.
Wie sind die Temperaturen im Gewächshaus im Sommer und Winter?
Zur Temperaturregulierung setzen wir eine sorgfältig durchdachte Belüftung, Beschattung und auch Pflanzen ein. Normalerweise beträgt die Temperatur tagsüber 25-30 Grad im Sommer und einige Grad unter Null im Winter. Etwas höhere Temperaturen sind oben auf der Dachterrasse, da diese direkt unter dem Glasdach liegt.
Was sind die Vorteile von einem Leben im Naturhus?
Ein längerer Sommer, das Leben in einem mediterranen Garten und der Anbau von eigenen Bio-Lebensmitteln. Das Gewächshaus ermöglicht einen geschlossenen lokalen Pflanzenkreislauf, der die Nährstoffe aus dem Abwasser aufnimmt und dem Obst und Gemüse als Dünger dient. Das Naturhus ist ein Haus, das Energie erzeugt, anstatt sie nur zu verbrauchen. Und schließlich führt das zum Nachdenken und Lernen darüber, was man isst und was man in den Abfluss spült. Was man herunterspült, kommt zurück in das eigene Öko-Kreislauf-System und in die Tomaten, die man seinen Kindern zu essen gibt. Eine nachhaltige Architektur, die einen wirklich nachhaltigen Lebensstil fördert.
Wir bauen nicht nur Privathäuser für Familien. Das Naturhus-Konzept kann auf viele verschiedene Arten und Größenordnungen von Wohnungen, Restaurants, Bildungs-, Erholungs- und Wellnessräumen angewendet werden. Wir wollen außerdem für die Zukunft die Möglichkeit ausbauen, mit dem Naturhus die urbane Lebensmittelproduktion zu fördern. Das kann etwa durch Obst- und Gemüseanbau im Gewächshaus geschehen.
Die Idee für das Naturhus stammt von dem schwedischen Architekten Bengt Warne. Für Warne ging es um mehr als nur den reinen Hausbau. Für ihn war eine Lebensphilosophie damit verbunden. Seine Vorstellung eines Naturhus war „ein Gebäude, das bereichert, ohne zu zerstören, zu plündern und zu vergiften“. Daraus entwickelte er ein Konzept der „ökologisch sinnvollen Bauweise“ und baute 1974 den Prototypen des Naturhus in Saltsjöbaden, Stockholm.
Dafür umhüllte Warne ein traditionelles schwedisches Holzhaus komplett mit einem Gewächshaus. In den 1980er Jahren verwirklichte er gemeinsam mit dem deutschen Architekten Joachim Glässel eine weitere Version des Naturhus im Auftrag der „Internationalen Bauausstellung Berlin (IBA)" in Berlin-Kreuzberg. Außerdem verfasste Warne gemeinsam mit der Autorin Marianne Frederiksson ein Buch, in dem er 1993 seine Erfahrungen und philosophischen Prinzipien zum Naturhaus niederschrieb.
Vorteile | Nachteile |
+ Schutz vor Witterung im Gartenbereich | - Bau des Gewächshauses benötigt eine große Grundstücksfläche |
+ Längerer Sommer |
- Starke Hitzeentwicklung auf der Dachterrasse unter dem Glasdach |
+ Umweltfreundliches und nachhaltiges Leben | - Zusätzlicher Kostenaufwand für Bau der Außenhülle |
+ Ideale Bedingungen für Obst- und Gemüsegarten sowie Anbau von mediterranen Pflanzen | - Hoher zeitlicher Aufwand für Reinigung der Glasfronten |
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Auch bei uns hat das Haus-im-Haus-Konzept Nachahmer gefunden. Das Ehepaar Till hat sich mit dem Haus im Gewächshaus einen Traum verwirklicht. Als Besitzer einer Gärtnerei können sie es gleich doppelt nutzen. Das Gewächshaus dient Thomas und Monika Till nun als mediterraner Verkaufsraum für ihre Pflanzen aus aller Welt und als Ausstellungsraum für Gestaltungselemente für Haus und Garten.
Gleichzeitig bietet es ihnen viel Platz für ein Zuhause im Grünen. Der Geschäfts- und Wohnbereich geht im Gewächshaus nahtlos ineinander über. Nur ein kleines Schild mit der Aufschrift „Privat“ weist darauf hin, dass es nun in den Wohnbereich geht. „Wir hatten auch schon Kunden plötzlich in unserem Wohnzimmer stehen“, erklären Thomas und Monika Till, die das jedoch locker nehmen. Sie sehen einen klaren Vorteil darin, dass sie direkt am Arbeitsplatz wohnen. Und vor allen Dingen genießen sie es, in der Natur zu sein.
Für das Ehepaar Till ist das Haus auch nach 25 Jahren immer noch perfekt und auf unsere Nachfrage können sie keine Nachteile an ihrem Haus feststellen. Noch nicht einmal das Fensterputzen sehen sie als Schwachstelle an. „Der Regen wäscht an der Außenseite vieles ab und Innen wird nach Bedarf geputzt.“ Thomas Till hat für das Putzen aller Innenflächen der Fenster einen Monat gebraucht. Das wird glücklicherweise nur selten gemacht.
Das Ehepaar achtete beim Bauen auf Nachhaltigkeit, hat jedoch nicht alle Elemente des schwedischen Naturhaus übernommen. Das Kernhaus besteht aus Kalksandstein und hat auf einer Seite eine Wand aus Ziegelsteinen. Monika und Thomas Till haben dafür von einem alten Kasernengebäude rund 16.000 Ziegelsteine von dem alten Mörtel befreit und so für den Bau ihres neuen Hauses vorbereitet. Stein für Stein.
Die Ziegelsteinwand gleicht starke Temperaturdifferenzen zwischen Tag und Nacht aus, indem es die gespeicherte Wärme des Tages nachts wieder abgibt, wenn die Außentemperatur gefallen ist. Das schafft für die exotischen Pflanzen, wie die Hanfpalme, ein passendes mediterranes Klima. Auch im Wohnbereich fördert die Ziegelwand ein angenehmes Raumklima.
Das Verschattungssegel sorgt zusätzlich für eine Klimaregulierung im Glashaus. Es dient im Winter als Kälteschutz und wird nachts zugezogen, um das Gewächshaus zu isolieren. Auf der gegenüberliegenden Seite der Ziegelwand ist das Glashaus direkt auf das Kernhaus aufgesetzt, so dass hier die Fenster auch die Außenfenster sind. Dort bildet das Gewächshaus keine zusätzliche Außenhülle.
Für das Ehepaar Till hat sich der aufwändige Bau gelohnt. Mit ihrem Haus im Gewächshaus haben sie für sich die passende Work-Life-Balance geschaffen.
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